Promenade neuer Größen
Robert Treviño und János Wollenweber mit den Bamberger Symphonikern
„Er ist einer der aufgehenden Sterne am Musikhimmel, wenn er vor einem Orchester steht, wird er zu einem menschlichen Dynamo!“ So schrieb 2022 die britische Musikzeitschrift Gramophone über ihn, und die New York Times meldete 2024 gewissermaßen den Vollzug seines Aufstiegs: „Er zählt zu den am hellsten strahlenden Lichtgestalten, die in jüngster Zeit die Welt der Musik erglänzen lassen!“ Kein Zweifel: Der 1984 geborene Texaner Robert Treviño ist eine der neuen Größen unter den Dirigenten der jüngeren Generation.
Kaum zu glauben!
Der Protegé der Dirigentenaltmeister Kurt Masur, David Zinman und Leif Segerstam und als Schüler von Michael Tilson Thomas, ein Enkelschüler der Legende Leonard Bernstein, lancierte eine internationale Karriere, die in Tempo und Intensität ihres steilen Verlaufs viele überraschte. Mittlerweile konzertierte Robert Treviño, der über ein Repertoire von enormer Bandbreite verfügt, mit unzähligen Spitzenorchestern und Solostars rund um die Welt. Gerade einmal 35-jährig machte er im Herbst 2019 mit dem Malmö Symphony Orchestra eine Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien. Bereits zuvor in jenem Jahr spielte er mit den Bamberger Symphonikern alle Sinfonien von Max Bruch ein, dazu Ouvertüren und andere Orchesterstücke des Komponisten – eine Koproduktion des Bayerischen Rundfunks mit dem Plattenlabel cpo, die als Referenzaufnahme gilt. Anfang März 2026 tritt Robert Treviño wieder ans Pult der Symphoniker von der Regnitz, dirigiert ein Konzert in Bamberg und kommt mit dem Programm auch nach Erlangen.

Erweckungserlebnis
Robert Treviño ist ein US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln – ein Mexican-American, aufgewachsen im texanischen Fort Worth als Sohn einer Familie, die sich mühsam den Lebensunterhalt verdiente. „Als ich geboren wurde, war meine Mutter 17 und hat als Putzfrau gearbeitet, mein Vater war 18 und hatte drei Jobs, arbeitete auch als Pizzalieferant. Wo wir wohnten, wollte niemand leben.“ Klassische Musik kannte niemand in der Familie. Doch dann hörte der achtjährige Robert im Autoradio seines Vaters das „Lacrimosa“ aus Mozarts Requiem, und er wusste, dass er Musiker werden wollte, ein Erweckungserlebnis, das Treviño so beschreibt: „In dem berühmten Film ‚Der Zauberer von Oz‘ gibt es diesen Moment: Anfangs ist alles in Schwarz-Weiß gehalten, dann wird Dorothys Haus durch den Sturm zerstört, sie betritt das Land Oz, und auf einmal ist die ganze Welt farbig. So hat sich das damals angefühlt für mich: Meine Welt wurde bunt.“
„Musik bedeutet alles für mich.
Durch sie kann ich Teil des Lebens
anderer Menschen sein.“Robert Treviño
Durchbruch in Moskau
An der Schule entschied sich Robert Treviño für Fagottunterricht, an der University of Texas at Arlington belegte er dann neben dem Blasinstrument auch Dirigieren und schloss sein Studium in beiden Fächern an der Roosevelt University in Chicago ab. Sein professionelle Laufbahn begann er 2009 als Erster Gastdirigent an der New York City Opera, 2011 wechselte er in der gleichen Position zum Cincinnati Symphony Orchestra. Der internationale Durchbruch gelang Robert Treviño 2013, als er für den erkrankten Vassily Sinaisky kurzfristig einsprang und die Premiere einer Neuproduktion von Verdis „Don Carlos“ am Moskauer Bolschoi-Theater mit sensationellem Erfolg dirigierte. In der Folge war Robert Treviño von 2017 bis 2025 Chef des Baskischen Nationalorchesters (Basque National Orchestra – Orquesta Sinfónica de Euskadi) in San Sebastián und von 2019 bis 2021 gleichzeitig Chef des Malmö Symphony Orchestra. Seit 2023 ist er mit der litauischen Mezzosopranistin Justina Gringytė verheiratet.
Ein prall gefülltes, buntes Programm
Bei seinem Gastspiel in Franken hat Robert Treviño als Solisten eine andere neue Größe an seiner Seite: János Wollenweber, Absolvent der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker, seit Januar 2025 Solooboist der Bamberger Symphoniker. Der Sohn des langjährigen Englischhorn-Solisten der Berliner Philharmoniker Dominik Wollenweber spielt das hoch virtuose Oboenkonzert von Richard Strauss. Als weiterer Geniestreich des letzten deutschen Romantikers steht auf dem prall gefüllten, bunten Programm des Abends die schelmisch tollkühne Tondichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, flankiert von zwei wahrhaft originellen musikalischen Überraschungspaketen aus den USA: von der tonmalerisch schrillen Vertonung turbulenter Szenen eines „Yale–Princeton Football Game“ des großen Pioniers der amerikanischen Musik Charles Ives und von der auftrumpfenden „Promenade Ouverture“ des mittlerweile fast 90-jährigen John Corigliano. Der immens vielseitige, produktive und mit höchsten Preisen überhäufte US-Komponist beschritt in dieser Ouvertüre den umgekehrten Weg des Finales von Haydns „Abschiedssinfonie“: Nicht das allmähliche Abtreten der Orchestermusiker ist hier auskomponiert, sondern ihr allmählicher Aufzug in einer von Blechbläserfanfaren hinter der Bühne begleiteten Promenade. Sinnreich gekoppelt ist das Stück mit Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ – jener suitenartigen Folge vertonter Bilder, verbunden durch die Einleitungs- und Zwischenmusiken der sogenannten Promenaden.
Text: Klaus Meyer