Neue musikalische Reiseerlebnisse nach Russland mit dem jungen Dogma Kammerorchester und dem Grandseigneur des Cellos: Mischa Maisky
Mischa Maisky ist der Cellist, der wahrscheinlich die künstlerisch und menschlich spannendste Karriere hat:
Der inzwischen 74-jährige aus Riga stammende Künstler war der einzige Schüler, den der legendäre Mstislaw Rostropowitsch zwischen seinen Konzertreisen unterrichtete: „Rostropowitsch war für mich viel mehr als ein Lehrer. Er war fast wie ein zweiter Vater.“
Und noch eine Cello-Ikone, Gregor Piatigorsky, wird mehr als sein Lehrer: „Wir haben nie über das Cellospielen gesprochen, sie haben auch nie gezeigt, wie Cellospielen geht“, erinnert sich Maisky. „Das Wichtigste, das ich von beiden gelernt habe: Das Cello ist nur ein Instrument. Etwas, das uns hilft, das richtige Ziel zu erreichen. Und dieses Ziel ist die Musik. Nicht umgekehrt: mit der Musik zeigen wollen, wie gut man Cello spielt.“ Für diese ambitionierte Umsetzung steht Maisky ein Montagnana-Cello aus dem Jahr 1720 zur Verfügung, das von dem legendären venezianischen Geigenbauer Domenico Montagnana höchstpersönlich gefertigt wurde.
Haft, Nervenheilstand als Schutz vor dem russischen Militärdienst, Flucht nach Israel sind die Stationen des jüdischen Musikers. Das ist nicht das, was nach großer Musikerkarriere aussieht. Es ist der 7. November 1972, als der 24-jährige hochbegabte Musiker in Israel eintrifft. Mischa Maisky feiert diesen Tag noch heute als seinen zweiten Geburtstag: „Ich nenne es nicht Emigration, was ich hinter mir habe. Ich sage lieber, ich bin ‚repatriotiert‘.“
Der Rest ist beispiellos für eine weltweite Karriere.
Es trifft sich gut, wenn dieser fantastische Künstler und lebenserfahrene Mensch mit einem Kammerorchester wie dem dogma chamber orchestra zusammen musiziert, sich mit diesem Ensemble lebendig, intensiv, auf höchstem Niveau austauscht. Maisky wird an diesem Konzertabend in Erlangen Solist und musikalischer Leiter in Personalunion sein.
Maisky brennt für die Romantik. Somit ist das reine Tschaikowski-Programm, das Maisky unzählbare Male in seiner Laufbahn gespielt hat, perfekt für ihn.
Das junge dogma-Kammerorchester wiederum hat mit seiner Einspielung der Tschaikowski-Streicherserenaden Furore gemacht, hat in den vergangenen Jahren renommierte Preise wie den Echo Klassik und OPUS gleich mehrfach abgeräumt. Der Name dogma leitet sich von einer Gruppe um den Filmemacher Lars von Trier ab, die sich (1995) gegen die Vorhersehbarkeit und Wirklichkeitsentfremdung des Kinos wandte. Gegen diese Vorhersehbarkeit zugunsten von Variabilität in der Interpretation bei jeder Probe, bei jedem Konzert setzen sich die Mitglieder von dogma in ihrer künstlerischen Intention ein.
Der musikalische Gründer des dogma-Ensembles, übrigens auch Cellist, Mikhail Guerewitsch, ist überzeugt: „Die Reise der klassischen Musik ist längst noch nicht abgeschlossen. Wir wollen zeigen, dass klassische Musik viel Leben in sich trägt. dogma ist auf der intensiven Suche nach inhaltlich neuen Wegen, wie es sie in allen Perioden der Musikgeschichte gegeben hat.“
Daraus resultiert auch, dass sich das Ensemble nicht nur als homogene Gruppe von Musikern versteht, sondern auch solistische Impulse integriert werden. Die Dynamik hält – durch das Musizieren im Stehen – wach, aufmerksam, bewahrt vor „glattpolierter, gleichmachender Ästhetik“.
Der Zulauf von jungem Publikum, die Auswahl mit modernen und eigenen Kompositionen, die Moderation und der lebendige Austausch mit dem Publikum geben den Blickwinkel und dringend notwendige Entwicklungen im Konzertbetrieb unserer Zeit auf die Musik wieder.
„Wenn man das Herz der Menschen erreichen will, muss es auch selbst von Herzen kommen. Es genügt nicht, mit dem Kopf oder den Händen zu musizieren“, sagt Maisky und trifft sich da mit der Generation der jungen Kolleginnen und Kollegen von dogma.
Maisky formuliert sein künstlerisches und menschliches Ziel so: „Wenn man mich fragt, wo ich zu Hause bin, antworte ich immer: Ich bin da zu Hause, wo die Menschen klassische Musik lieben, verstehen und genießen.“
Das ist in Erlangen der Fall. Willkommen zu Hause!
Text: Sabine Kreimendahl


Mischa Maisky
Mischa Maisky ist der einzige Cellist weltweit, der sowohl bei Mstislav Rostropovich als auch bei Gregor Piatigorsky studiert hat.
Rostropovich pries Mischa Maisky als „… eines der außergewöhnlichsten Talente der jüngeren Generation. Sein Spiel kombiniert Poesie und erlesene Zartheit mit großem Temperament und brillanter Spieltechnik.“
In Lettland geboren, in Russland ausgebildet, wurde Mischa Maisky nach seiner Repatriierung in Israel mit Begeisterung in den großen Konzertsälen in London, Paris, Berlins, Wien, New York, Tokyo und vielen anderen empfangen. Der Ausnahmecellist sieht sich selbst als Weltbürger: „Ich spiele ein italienisches Cello, mit französischen und deutschen Bögen und österreichischen und deutschen Saiten, meine sechs Kinder wurden in vier verschiedenen Ländern geboren, meine Frau ist Halb-Sri Lankerin – Halb-Italienerin, ich fahre ein japanisches und ein amerikanisches Elektroauto, trage eine indische Kette und eine Schweizer Uhr und ich fühle mich überall dort zuhause, wo die Leute klassische Musik genießen und schätzen.“
Als Exklusivkünstler der „Deutschen Grammophon“ spielte Mischa Maisky in mehr als dreißig Jahren fast vierzig Aufnahmen ein mit namhaften Orchestern wie den Wiener und Berliner Philharmonikern, dem Israel Philharmonic, dem London Symphony Orchestra, L’Orchestre de Paris, dem Orpheus Chamber Orchestra, dem Chamber Orchestra of Europe und anderen.
Im August 2018 erschien eines seiner persönlichsten Alben „Adagietto“ bei der Deutschen Grammophon, das er mit seiner Tochter Lily Maisky eingespielt hat und die er mit einigen Live-Bonustiteln ergänzte, bei denen Martha Argerich, Janine Jansen, Julian Rachlin und sein Violine spielender Sohn Sascha Maisky mitwirkten. Ebenso findet sich darauf ein Multitrack-Arrangement von Mahlers „Adagietto“ aus dessen 5. Symphonie. Mischa Maisky hat – mit Ausnahme der Harfe – sämtliche Stimmen mit dem Cello selbst eingespielt. Ein Projekt, von dem er seit vielen Jahren geträumt hat.
Seine jüngste CD, die 2020 aufgelegt wurde, trägt den Titel „20th Century Classics“ und beinhaltet eine Bonus CD der Weltpremiere von Benjamin Yusupov’s Cellokonzert, das der israelische Komponist Mischa Maisky gewidmet hat. Dazu eine erneute Multitrack-Aufnahme der „Bachianas Brasileiras“ von Villa Lobos.
Seine Aufnahmen erzielten nicht nur grandiose Kritiken sondern auch fünf namenhafte Auszeichnungen, den „Record Academy Prize“ in Tokyo, drei Mal den Deutschen Schallplattenpreis „Echo“, den „Grand Prix du Disque“ in Paris und den „Diapason d’Or of the Year sowie mehrere Nominierungen für den begehrten Grammy Award.
Ein besonderer Höhepunkt seiner Konzerttätigkeit war zweifellos das Jahr 2000, in dem Mischa Maisky den 250. Todestag Johann Sebastian Bachs auf eine ganz besondere Weise würdigte. In einem Konzertmarathon von weit über 100 Konzerten brachte er Bachs Solosuiten weltweit zur Aufführung. Um seine tiefe Verehrung und Bewunderung für diesen Komponisten auszudrücken, nahm Mischa Maisky Bachs Solo Suiten im Laufe seiner Karriere gleich drei Mal auf.
Als weltbekannter Musiker war Mischa Maisky regelmäßiger Gast auf den größten internationalen Festivals und hat mit namenhaften Dirigenten wie Leonard Bernstein, Carlo Maria Giulini, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Giuseppe Sinopoli, Vladimir Ashkenazy, Daniel Barenboim, James Levine, Charles Dutoit, Yuri Temirkanov, Mariss Jansons, Valery Gergiev und Gustavo Dudamel gearbeitet. Seine kammermusikalische Zusammenarbeit schloss Künstler wie Martha Argerich, Radu Lupu, Nelson Freire, Evgeny Kissin, Itzhak Perlman, Lang Lang, Peter Serkin, Gidon Kremer, Yuri Bashmet, Vadim Repin, Maxim Vengerov, Joshua Bell, Julian Rachlin und Janine Jansen ein, um nur ein paar wenige zu nennen.
dogma chamber orchestra
Konzertmeister und Leitung: Mikhail Gurewitsch
Das dogma chamber orchestra wurde 2004 von Mikhail Gurewitsch gegründet, seinerzeit Konzertmeister des baden-württembergischen Kammerorchesters „I Sedici“. Unter seiner Leitung kommen junge, aber bereits international erfahrene Musiker zusammen, um zeitgerechte Interpretationen klassischer Musik mit moderner Konzertgestaltung zu verbinden. Das Orchester ist kontinuierlich auf der Suche nach inhaltlich neuen Wegen, wie es sie in allen Perioden der Musikgeschichte gegeben hat. Den geistigen wie auch emotionalen Gehalt der klassischen Musik aus dem Blickwinkel unserer Zeit freizulegen und dem Publikum diese Arbeit als einen spannenden Prozess zu vermitteln, das ist ein besonderes Anliegen von dogma.
Das dogma chamber orchestra versteht sich nicht nur als eine homogene Gruppe von Musikern, die gleiche künstlerische Ansichten teilt, sondern als ein Ensemble von Solisten, die sich aufeinander zu bewegen (müssen). Jedes Mitglied ist aufgefordert, seine eigene Persönlichkeit einzubringen. Das Spannungsverhältnis von solistischem Impuls und Ensemble-Geist wird bewusst ausgeschöpft und wirkt sich künstlerisch fruchtbar auf die Arbeit des Orchesters aus.
Bei der Programmgestaltung legt das dogma chamber orchestra großen Wert auf Variabilität. Zum Repertoire gehören nicht nur Werke des Barocks, der Klassik und Romantik, sondern auch Stücke zeitgenössischer Komponisten und sogar dogmas eigene Kompositionen. Die Zuhörer werden auf eine Zeitreise eingeladen, auf der sie die ganze Bandbreite der Musik von Bach bis Penderecki kennen lernen können.
dogma sucht den direkten Kontakt mit dem Auditorium – die Auftritte werden von Mikhail Gurewitsch selbst moderiert. Mit seiner persönlichen Ansprache wird die Distanz zwischen Bühne und Publikum überbrückt, die Konzertbesucher werden ermuntert, nicht nur zu „beobachten“ und zu „konsumieren“, sondern das Konzert-Geschehen als Dialog zu begreifen – für den sich die Musiker auch anschließend gerne noch Zeit nehmen.
2010 legt das dogma chamber orchestra seine erste CD vor. Aufgenommen für das Label Berthold Records in Koproduktion mit dem renommierten Label Dabringhaus & Grimm (MDG), koppelt sie Tschaikowskys berühmte Streicher-Serenade mit seinem ‚Souvenir de Florence‘ – und verzichtet dabei auf die übliche Überzuckerung, was die Werke wie neu erklingen lässt. Es folgt die zweite CD ‚American Stringbook‘, eine Entdeckungsreise in die amerikanische Komponisten-Szene des 20. Jahrhunderts, die prompt zu Einladungen nach Übersee und dem ECHO Klassik 2011 als beste Surround-Einspielung des Jahres führt. 2013 erscheint ‚The Shostakovich Album‘, das 2014 wiederum den ECHO Klassik als ‚Beste Sinfonische Einspielung 20./21. Jahrhundert‘ erhält. 2016 kommt die hoch gelobte vierte CD ‚British.Now!‘ mit Werken britischer Komponisten. Der Veröffentlichung einer Live-CD aus dem Konzerthaus Dortmund mit Werken von Mozart und Schubert gewann 2019 den OPUS KLASSIK als ‚Beste sinfonische Einspielung Musik bis inkl. 18 Jahrhundert‘. Zuletzt erschienen die ersten beiden CDs einer auf fünf Einspielungen angelegten Edition der faszinierenden Jugendwerke Mendelssohns bei MDG, die sämtliche Streicher-Sinfonien sowie etliche Solo-Konzerte enthalten wird.
2020 spielte das dogma chamber orchestra erstmals in der Kölner Philharmonie und der Elbphilharmonie Hamburg und es unternahm eine erste Konzertreise nach Japan. In dieser Saison tourt das Orchester mit Sergei Nakariakov, in der kommenden Saison mit Mischa Maisky. Weitere Projekte führen das Orchester mit Asya Fateyeva, Matthias Kirschnereit, Herbert Schuch und Viviane Hagner zusammen.

