Der Dokumentarfilm „Anne Sophie Mutter – Vivace“
Autorin: Sabine Kreimendahl
Acht Jahre intensiver Arbeit stecken in dem Dokumentarfilm der Regisseurin Sigrid Faltin, die mit ihrem Porträt der berühmtesten Geigerin unserer Zeit, Anne-Sophie Mutter, am 28.3. Premiere im Kino hatte.
Auch im Erlanger Lamm-Kino ist der gut anderthalbstündige Film angesetzt. Im Publikum sind einige gVe-Mitglieder, eifrige Konzertbesucher, zugegen. Hinterher gibt es eine Live-Schaltung nach München zu Anne-Sophie Mutter, die sich Fragen des Publikums aus den Premieren-Kinos stellt, ausgewählt und zusammengefasst von einem Journalisten.
Es ist spannend und kurzweilig, das Leben des Weltstars in dieser sehenswerten Dokumentation, zu beobachten.
Die etwas spröde wirkende Sigrid Faltin unternimmt mit der wanderbegeisterten Anne-Sophie Mutter samt Kamerateam und Dackel Boney eine Tour durch die Tiroler Berge. Diese Tour ist der Rote Faden der Vita der nun bald 60-jährigen Stargeigerin.
Der Titel „Vivace“ ist treffend gewählt: Lebhaft, lebendig, unermüdlich ist die Geigerin. Sie kommt mit extrem wenig Schlaf aus, nimmt an allem hellwach teil, kontrolliert gerne und bestimmt selbstbewusst die Grenzen, wenn ihr eine Frage, ein Verhalten, ein Urteil missfällt. Warum auch nicht?
Man gibt der Geigerin innerlich recht, wenn sie sagt: „Was macht mich aus? Sie erleben mich wahrhaftig auf der Bühne. Alles andere, das Banale ist trivial.“
Das klingt vielleicht überheblich, vor allem für all diejenigen, die Mehrheit, die im Mittelmaß, im banal Normalen leben und einen Alltag meistern ohne einen Stab an Helfern und Machern um sich zu Diensten zu haben.
Es ist bei Ausnahmepersönlichkeiten wie Anne-Sophie Mutter wahrlich interessanter, ihr zuzuhören und zuzuschauen mit welcher Präsenz sie Musik macht, nicht nur Geige spielt, statt zu erfahren, ob sie kocht, putzt. Sie warnt die junge nachfolgende Geigergeneration davor, sich auf „Socia Media“ zu verzetteln. Sie selbst lese keine Kritiken, behauptet sie, weil es belaste, dem künstlerischen Ansatz die Kreativität, die Unbscholtenheit nehme.
Dürfen Genies wie Mutter nicht einfach in ihrer eigenen Welt leben? Ja, müssen sie nicht das Banale, das Triviale, das Umständliche abwehren, um zu 100 Prozent als Künstlerin präsent zu sein? Die wachsame Distanziertheit der Künstlerin ist begreifbar. Denn ein dauerhaftes, künstlerisches „Lebens-Vivace“ lässt sich nur schwerlich mit Rücksicht auf die Klatschpresse erreichen. „Grave-Abschnitte“ gab es in ihrem Leben auch. Es ist klar, dass der Tod ihres Mannes, die Mühsal von Konzerttourneen weltweit, von Jetlag und inneren Krisen die junge Witwe und Mutter zweier junger Kinder damals prägten. Nur spricht sie darüber nicht viel. Der kurze Filmausschnitt, bei dem sie am Telefon aus der Tournee-Ferne mit ihren Kindern telefoniert, zeigen dennoch die Kehrseite des glamourösen Lebens.
Anne-Sophie Mutter, ein Energiebündel und eine Perfektionistin, die Disziplin in Person, hatte und hat ihr Ziel immer klar vor Augen: Das lässt sich auch aus den aufschlußreichen Filmausschnitten und Fotographien aus ihrer Kindheit und Jugend erkennen. Da bleibt einem der Mund offen stehen, wie die gerademal Zehnjährige Ravels „Tzigane“ spielt. Schlagfertig und selbstsicher gibt sie Antwort auf Fragen: „Wenn die Geigenkarriere nicht klappen sollte, was machst du dann?“. Mutter: „Es wird klappen. Warum sollte es nicht klappen?“.
Strahlend wirkt sie meistens, nennt das mit dem Zitat ihres 97-jährigen Schwagers als Vorbild: „Ich fühle mich am liebsten gut.“
Natürlich haben ihre Eltern und viele Menschen sie gefördert, hat Karajan sie entdeckt: Zielstrebigkeit und Glück gehören gleichermaßen zu einer so dauerhaften Weltkarriere im Klassik-Bereich dazu, aber vor allem ein Ausnahmetalent. Natürlich spielt auch ihre Attraktivität, ihre „Arbeitskleidung“ eine Rolle. Das hört sie nicht gerne, auch, wenn es das „Gesamtkunstwerk Mutter“ ausmacht. Vor allem aber begründet ihr Wollen, ihr Können, die Intensität ihres Musizierens, ihre Persönlichkeit und Ausstrahlung ihren Erfolg.
Aufschlussreich sind auch die Freunde, die sie sich für die Doku als Gesprächspartner wünscht: Daniel Barenboim, Jörg Widmann, John Williams, den sie zutiefst verehrt, den New Yorker Magier Steve Cohen und ihren langjährigen Begleitpartner, den Pianisten Lambert Orkis. Ein wenig kurios in dieser Reihe steht der Tennisstar Roger Federer, von dem sich Groupie Anne-Sophie Mutter sogar ihren Geiger-Koffer signieren lässt. Der Schweizer Sportler wiederum kann mit Konzerten und Geige wenig anfangen. Bemerkenswert ist Anne-Sophie Mutters soziales Engagement in Form von Benefizkonzerten. Etwa 10 Prozent ihrer Arbeit fließen dabei in die verschiedensten Projekte und Fonds. Anne-Sophie Mutter ist zweifelsohne eine weltweite Botschafterin Deutschlands, überall gerne gesehen und vor allem gehört.
Info:
Für Juni ist die Ausstrahlung des Films „Vivace“ im Ersten geplant. Der Film wird dann auch in der ARD-Mediathek verfügbar sein. Für diejenigen, die neugierig geworden sind und nicht so lange warten wollen, besteht auch im Kino die Gelegenheit dazu (in Erlangen im „Lamm“ oder im „Cinestar“).