Liebe, Lust und Leidenschaft –
Die irische Lady und der deutsche Geiger
Die Beziehungen von Musikern zu Musikinstrumenten – oft sind es echte „Affaires de Cœur“, echte Herzensangelegenheiten. Händel bekannte sich in seiner englischen Wahlheimat dezidiert zur Oboe als seinem „favourite Instrument“ (seinem Lieblingsinstrument), Richard Strauss schrieb für das Horn – nicht zuletzt aus Verehrung für seinen Vater, den legendären Hornisten – schönste Solo-Stellen, und Mozart hatte mit der Klarinette eine geradezu „erotische“ Liebesbeziehung. Was für Komponisten gilt, das gilt aber noch viel mehr für die Instrumentalisten, für die tatsächlichen Spieler der Instrumente – denn die wissen auch noch zu schätzen, aus welchem „Haus“ das jeweilige Instrument stammt, wer es gebaut hat und welche ganz spezifische Eigenschaften seinen Charakter ausmachen.
…wie zwei Partner
Anschauen, anfassen, spielen, hören, lieben, besitzen – so mancher Instrumentalist hat dabei zu seinem Instrument eine derart leidenschaftlich sinnliche Beziehung, dass sein menschlicher Partner aus Fleisch und Blut eigentlich schier eifersüchtig werden müsste. „Man wächst mit dem Instrument zusammen, atmet und lebt mit ihm wie mit einem Partner.“ Also sprach Frank Peter Zimmermann, deutscher Star-Geiger der obersten Welt-Klasse, 1965 in Duisburg als Sohn einer Familie von Berufsmusikern geboren und heute mit seiner Frau und zwei Kindern in Köln zu Hause.
Alte Gemälde und gute Weine
Ganz schön viele Liebesaffären hatte Frank Peter Zimmermann – nein, nein, nicht was Sie denken, sondern mit kostbaren Geigen natürlich. Und für die Beschreibung von deren Qualitäten hat er stets sprechende Vergleiche aus Bildender Kunst und Lifestyle parat. „Eine Guarneri gleicht einem Caravaggio“, sagt er, „eine Stradivari ist wie ein Michelangelo.“ Eine Guarneri sei gut für Brahms und Sibelius, „sehr männlich, wie eine herrliche Kanone mit vier Saiten“, aber wenn man mit ihr Mozart spielt, sei das „wie wenn man mit einem dicken Pinsel versuchte, Bleistiftzeichnungen zu erstellen.“ Nein, Frank Peter Zimmermann zählt zu den leidenschaftlich überzeugten Stradivari-Spielern. Mit vier Instrumenten des renommierten italienischen Gitarren- und Geigenbaumeisters hatte / hat er intime Beziehungen: mit der „ex Dragonetti“ von 1706, mit der „Lady Inchiquin“ von 1711, mit der „ex Rodewalt“ von 1713 und mit der „Général Dupont“ von 1727. Bei der letzteren denkt der Geiger u n d Weinkenner an „einen Burgunder“, bei der Stradivari „Lady Inchiquin“ an „einen alten, undurchdringlichen Bordeaux“. Mit diesem edlen Instrument, das den Namen einer irischen Landadeligen trägt, verbindet Frank Peter Zimmermann eine wechselvolle, von der Presse vielfach kolportierte Liebesgeschichte…
„Meine große Liebe“
Die Stradivari „Lady Inchiquin“ wurde um 1910 vom legendären Geiger Fritz Kreisler gespielt, später von einem Berliner Philharmoniker. Schließlich ging sie in den Besitz der Stiftung Westdeutsche Landesbank über. Von der erhielt sie Zimmermann im Jahr 2002 als Leihgabe. In der Folge entwickelte sich das Instrument für den Geiger musikalisch zur Liebe seines Lebens. Dreizehn Jahre spielte er mit der „Lady“, absolvierte mir ihr unzählige Konzertauftritte und machte mit ihr Aufnahmen. Doch dann kam die tragische Trennung: Im Strudel der Finanzkrise verlangte die WestLB das von Gutachtern auf 5 Millionen Euro und von der Bank auf 7 Millionen geschätzte Stück zurück, und Zimmermann musste es im Februar 2015 abgeben. Zunächst spielte er eine Guarneri , dann lieh ihm ein chinesischer Geschäftsmann die 1727 gebaute Stradivari „Général Dupont“, die früher der belgische Geigen-Großmeister Arthur Grumiaux gespielt hatte. Die „neue“ Geige wurde zu einer Geliebten, deren Eigenschaften Zimmermann auch im Vergleich zur unvergleichlichen „Lady“ zu schätzen wusste:
„Die ‚Grumiaux’-Geige wirkt apollinischer, sie ist eleganter und heller; eben so wie Grumiaux auch immer gespielt hat. Für Mozart ist sie einfach ideal. Sie hat auch im oberen Bereich, finde ich, mehr Farben als die ‚Lady Inchiquin’. Die ‚Lady’ ist auf der G- und D-Saite, im unteren Bereich, dunkler. Sie hat, wie ein guter Bordeaux-Wein, einen Bodensatz. Ich habe mir diese Stimme der ‚Lady’ einverleibt über dreizehn Jahre. Ich will unbedingt wieder auf ihr spielen. Ich hoffe, ich kriege sie eines Tages zurück. Wenn Sie sich einmal in die Stimme der Tebaldi verliebt haben, dann wollen Sie die Callas einfach nicht mehr hören.“
Wieder vereint
Lange musste Frank Peter Zimmermann nicht warten. Im Juli 2016 kaufte das Land Nordrhein-Westfalen die „Lady“ als eines von 297 Kulturgütern von der WestLB-Nachfolgerin Portigon AG zurück und stellte sie dem Geiger erneut zur Verfügung. Happy End. Mögen sie zusammen bleiben, der deutsche Geiger und die irische Lady – bis in alle Ewigkeit. Amen.
Text: Klaus Meyer