© Sabine Kreimendahl

Ehrenmitglied und ehemaliger gVe-Vorstand: Dr Ruprecht Kamlah – Erinnerungen und Gedanken

Interview, Fotos und Autorin: Sabine Kreimendahl M.A.

Der Notar im Ruhestand Dr. Ruprecht Kamlah ist mit 81 Jahren und 42 Jahren Mitgliedschaft nicht nur eines der ältesten Mitglieder des gVe, sondern er hat sich auch immer umtriebig, vorbildlich für den Kulturverein eingesetzt.

Ruprecht Kamlah ist zudem – bereits seit seiner Schulzeit – engagiertes Mitglied beim Heimat- und Geschichtsverein und damit inzwischen eines der dienstältesten Mitglieder. Weiter ist er Mitglied im Kunstverein.

Kamlah begründet seine Mitgliedschaften so: „Es ist mein Engagement als Bürger in der Stadt.“

2018 bekamen er und seine kürzlich verstorbene Frau Christine Kamlah die Ehrenmitgliedschaft des gVe überreicht. Ruprecht Kamlah gehörte 24 Jahre dem Vorstand an und war – bis zu seiner beruflichen Pensionierung – 21 JahreVorstandsvorsitzender des gVe.

Im Jahr 2011 übernahm Prof. Jörg Krämer den Vorsitz.

Ruprecht Kamlah war ein äußerst agiler, scharf denkender Vorsitzender, der sich – alles ehrenamtlich – vorbildlich um die Belange des größten Kulturvereins Erlangens gekümmert hat.

Das Ehepaar Kamlah lud KünstlerInnen ein, veranstaltete in seinem großzügigen Haus am Burgberg niveauvolle Hauskonzerte für ausgewählte Freunde und Bekannte – oft mit dem Berganza-Quartett der Bamberger Symphoniker. Statt Blumen, Wein oder anderer Geschenke, baten die Kamlahs immer darum, für den gVe zu spenden.

Wir trafen Ruprecht Kamlah in seinem Garten bei einer Tasse Tee und Kuchen auf der Terrasse, um mit ihm über manche Erinnerungen an den gVe zu sprechen.

© Sabine Kreimendahl
© Sabine Kreimendahl

Das Gespräch

gVe: Lieber Ruprecht, was hat dich bewegt, über 42 Jahre den gVe zu begleiten, zu unterstützen, dich zu engagieren?

RK: Der Beitritt, das war eine Selbstverständlichkeit, weil schon das musikalische Haus Kamlah (die Eltern) immer dabei war. Ich wollte auch in die Konzerte gehen, als ich 1980 mein Amt von Roth nach Erlangen verlegte.

Meine gVe-Mitgliedschaft begann 1980.

Dr. Hiltl war lebenslänglich Vorstand. Er kannte mich – ich war in der mündlichen Staatsprüfung bei ihm. Er hat mich in den Vorstand berufen. Das war um 1982.

Es gehörte damals noch zum guten Ton, dass man beim gVe Mitglied war.

Das ist heute bedauerlicherweise anders.

Damals gehörte zum gVe ja auch noch das Theater und das war eine viel breitere Basis für eine gVe- Mitgliedschaft als nur das Konzertwesen. Die TheaterbesucherInnen waren ja mit 3600 Abonnenten eine große Zahl.

Das Erlanger Theater war damals ein Tourneetheater und wir hatten sieben Vorstellungen für jedes Stück. Die Schauspieler freuten sich auf Erlangen, weil sie da endlich mal ausruhen konnten und nicht täglich Koffer packen mussten. In Erlangen konnten sie während ihres Gastspiels zum Friseur und zur Fußpflege gehen.

Die Schauspielerin Maria Becker und ihr Mann, Robert Freytag, waren bei meinem Vorgänger Otto Hiltl und seiner Familie zum Mittagessen eingeladen. Ich habe solche Einladungen fortgesetzt. Das war mit ein Grund, weshalb der gVe viel besser in der Bevölkerung verankert war als das heute der Fall ist.

gVe: Theater und Konzert gehörten damals zum bürgerlichen Leben dazu.

RK: Ich meine, das ist heute noch genauso. Im Grunde hat sich das Theaterpublikum kaum verändert.

Als dem gVe das Theater genommen wurde, um ein eigenes Theater zu etablieren, da meinten die Intendanten: „Wir wollen ein anderes Publikum.“

Als Vorsitzender habe ich mich dagegen gesträubt, aber ich habe natürlich verloren.

Der Wunsch, ein eigenproduzierendes Theater in der Stadt zu haben war zu stark. Das war die Theaterlobby. Die Theaterabonnenten standen eigentlich mehr auf der Seite des Vereins, haben aber nicht so die Hand gehoben.

Diese Ära des gut funktionierenden Tourneetheaters endete dadurch. Mehr Publikum hat das Theater heute jedoch auch nicht, und ein anderes Publikum ist es genauso wenig geworden. Dass jetzt lauter junge Leute ins Theater strömen, ist überhaupt nicht der Fall.

Frau Ott hat dann den Schlussstrich gezogen, indem sie uns die Theatergespräche weggenommen hat mit der Begründung: Niemand, der nicht an der Inszenierung mitgewirkt hat, darf darüber reden.

Damit endete der Kontakt des gVe und seiner Mitglieder zum Theatergeschehen. Es besteht nur noch die lose Verbindung durch das gemischte Abo.

gVe: Worin lagen die Herausforderungen in deiner Amtszeit zudem?

RK: Der gVe ist ja der älteste Kulturverein der Stadt (er besteht seit 1876). Der gesamte Kulturbetrieb der Stadt lag bei der gVe-Gründung im Vereinsleben.

So blieb es auch im Ersten Weltkrieg. Während des Dritten Reiches war der gVe verboten. Nach dem Krieg wurde der Verein sofort wieder neu gegründet. Der gVe hatte da auch ein eigenproduzierendes Theater. Das lief vor der Währungsreform und brach danach aus finanziellen Gründen zusammen.

Es gab damals kein Kulturamt. Der gVe machte Gastspiel-Theater und Ausstellungen. Es gab noch den Kunstverein. Alles war ehrenamtliche Arbeit.

Erst Oberbürgermeister Dr. Hahlweg meinte zurecht, die Stadt brauche ein Kulturamt. Das war der Beginn des Bedeutungsverlustes des gVe. Denn das Kulturamt war tendenziell bereit alles zu übernehmen. Die Schlossgartenkonzerte hat gleich die Stadt übernommen, obwohl wir das ohne weiteres hätten organisieren können. Die Stadt hätte dabei vermutlich sogar Personalstellen einsparen können.

Dass der gVe noch die Konzerte in der Heinrich-Lades-Halle veranstaltet, das ist meine Leistung in einer Abwehrhaltung gegen den Zugriff des Staates auf die ehrenamtliche Tätigkeit des gVe.

gVe: Hätte das Kulturamt denn das Personal für das Konzertwesen gehabt?

RK: Zunächst nicht. Durch die Ehrenamtlichkeit kam viel qualifizierte Kompetenz von gebildeten Bürgern in die Tätigkeit. Damals gab es noch den Theater- und Konzertausschuss: Das waren 20 Leute, die gemeinsam das zu planende Programm diskutierten. Diese Ausschüsse sind nun verschwunden.

Es hat aber funktioniert. Wir haben seither mit anderen Strukturen tadellose, tolle Programme.

Ich hatte während meiner Amtszeit als Vorsitzender einen Geschäftsführer und kompetente Mitarbeiter, die die eigentliche Arbeit gemacht haben. Wenn die ausgefallen wären, wäre ich sehr schlecht dagestanden.

Ich hatte Herrn Schilbach, danach Herrn Dr. Sellmann an meiner Seite. Das waren beides sehr versierte Mitarbeiter, Herr Sellmann ganz besonders!

Ich musste ja nie mit einer Agentur über ein Konzert verhandeln. Das hat alles Herr Sellmann gemacht. Ohne Dr. Sellmanns hervorragende Arbeit hätte ich als Vorsitzender nicht bestehen können.

gVe: Was hast du dann als Vorsitzender eigentlich gemacht?

RK: Das frage ich mich auch. So ist das bei Organisationen. Der Vorsitzende schwebt darüber, aber ist doch irgendwie notwendig. Repräsentation, Tagesarbeit hätte ich neben meinem Beruf ja garnicht leisten können. Ich habe aber z.B. mit der Stadt verhandelt, damit wir unsere Zuschüsse bekommen. Die sind dringend nötig! Die prekäre Abhängigkeit von Zuschüssen war und ist problematisch. Durch die Gründung der Kulturstiftung unter weitgehendem Einfluß des gVe konnte ich dessen Stellung absichern. Auch die Reihe „Unerhört“ ist defizitär und war kulturpolitisch zu verteidigen. Die Einführung einer Fördermitgliedschaft und das Werben von Sponsoren gehörte natürlich in den Strauß meiner Aufgaben.

gVe: Hat sich der Einsatz für dich gelohnt?

RK: Einen Lohn habe ich nicht erwartet. Es hat mich ideell bereichert.

Besonders nett war der Kontakt zu den Musikern. Wir sind nach einem Konzert oft mit den Musikern essen gegangen. Das waren unglaublich lustige Abende mit den Künstlern.

Wir haben beispielsweise Sarah Cheung während des Konzerts einen selbstgemachten Teddy überreicht. Sie war überglücklich. Das war alles menschlich bereichernd. Menahem Pressler war mit uns zum Essen. Diese Leute sind alle so hochgebildet. Das ist wunderbar, hochinteressant in den Gesprächen.

Beim Theater haben wir oft die Schauspieler ins Siemens-Casino eingeladen. Das war auch spannend. Die Schauspieler waren ihrerseits sehr interessiert auch mal eine alltägliche oder industrielle Welt außerhalb ihrer Theaterwelt kennen zu lernen. Es war für beide Seiten bereichernd. Das waren kleine Höhepunkte, Begegnungen, mit denen du etwas gewinnst.

Das fiel dann natürlich weg als der Gastspielbetrieb auslief.

gVe: Nach wie vor spendest du für den gVe, veranstaltest Hausmusikabende, deren Erlös dem Verein zufließt. Warum?

RK: Der Verein braucht Sponsoren.

Mit meinen bescheidenen Verhältnissen gehöre ich auch zu denen, die zu einem Sponsorship in der Lage sind. Ich fühle mich verpflichtet dazu etwas beizutragen.

gVe: Wie wichtig ist der gVe für Erlangen heute, was hat sich verändert?

RK: In anderen Städten gibt es auch Konzertveranstalter.

Es ist eine schöne Sache, dass das hier noch durch einen Bürgerverein mit teils ehrenamtlichem Engagement läuft.

Lebensnotwendig ist der gVe nicht.

Das städtische Kulturamt könnte das mit übernehmen, bekäme aber dann kein Sponsorship oder Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern, die wir derzeit haben.

Bei den Stadträten, die in gewissen Fraktionen weniger Wert auf den bürgerlichen gVe legten, da spielte nur noch das Geld eine Rolle, das wir bringen. Peinlich – war aber so.

Der gVe hat in seiner großen Zeit (vor meiner Amtsübernahme) einen aufwändigen Faschingsball veranstaltet. Auch die gVe-Konzertreisen mit Anne Czap waren ein spezielles Vereinsangebot. Das hat aber nicht mehr funktioniert.

Das Gefühl der Vereinszugehörigkeit, das hat kontinuierlich abgenommen.

Die Mitglieder sind meistens nur wegen der Ermäßigung der Karten in der Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft im gVe vermittelt kaum noch Freundschaften oder Gemeinschaftsgefühl.

Mitglieder zu einem Verein gewinnst du nur durch persönliche Ansprache, nicht durch einen großen Prospekt. Viele Vereine leiden unter der mangelnden Bereitschaft der Menschen zur Identifikation mit einem Vereinszweck.

gVe: Was wünschst du den engagierten Mitgliedern, dem Vorstand, kurz, dem gVe?

RK: Einen kompetenteren Nachfolger als Prof. Krämer konnte es nicht geben! Da war ich sehr glücklich, als er mir das abgenommen hat.

Wir haben auch mit Stephan Gerlinghaus und Julian Fischer, gute Nachfolger gefunden.

Ich kann nur hoffen, dass das Wirken des gVe als ehrenamtliche Institution in Erlangen weiterhin geschätzt wird und das Kulturleben so lebendig bleibt!