Gespräch mit Hartwig Kalb, Steinway

Der Erlanger gVe-Steinway-Konzertflügel wurde in den vergangenen Monaten nach Hamburg zur Generalüberholung transportiert. Dieser Tage kommt das wertvolle Instrument in die Erlanger Ladeshalle zurück. Der gVe sprach mit Hartwig Kalb, Klavierbauer und Kundendienstleiter bei „Steinway & Sons“ in Hamburg.

gVe: Herr Kalb, von Erlangen nach Hamburg ist es eine große Strecke, die Generalüberholung des Erlanger D-Konzertflügels bedeutete einen immensen Arbeitsaufwand von Spezialisten. War dieser Aufwand nötig?

Hartwig Kalb: Ja. Nach gut 25 Jahren im Konzerteinsatz auf höchstem Niveau waren einige Materialien in der Mechanik und Tastatur sowie die Saiten und Wirbel abgenutzt, und das Instrument rein optisch auch nur noch wenig repräsentabel.

Ich vergleiche das gern mit einem Oldtimer, der durch regelmäßigen Service und Investitionen fahrtüchtig erhalten werden muss, was auch gleichzeitig einem Werterhalt gleichkommt. Mit dem Erlanger Flügel ist es nun ähnlich, er ist wieder konzertfähig und gleichzeitig im Wert stabil.

gVe: Was wurde an dem Flügel gemacht?

Hartwig Kalb: Wir haben den Flügel komplett mit 240 neuen Saiten bestückt, die Stimmwirbel wurden erneuert, das Spannungsverhältnis des Resonanzbodens zu den Saiten ausgeglichen, um die ca. 18 Tonnen Zugkräfte gleichmäßig auf den Boden zu verteilen. Weiter erhielt der Erlanger Flügel komplett neue Mechanikteile, die ja für die Spielart und Klangentwicklung maßgeblich sind. Die Hammerfilze wurden intoniert, damit sich der Klangcharakter von 88 Tönen über alle Lagen gleichmäßig anhört, es keine Brüche zwischen den Lagen gibt. Zudem wurden noch Lackschäden, Kratzer, etc. ausgebessert, so dass auch die Optik des Flügels wieder ansprechend ist.

gVe: Das hört sich nach einem enormen Aufwand an! Wieviele Mitarbeiter waren an diesen Arbeiten beteiligt? Wie viele Arbeitsstunden stecken darin?

Hartwig Kalb: Wir haben hier bei Steinway 320 Mitarbeiter. Ich würde sagen, dass etwa 15 Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen und Werkstätten an den Renovierungsarbeiten des Erlanger Flügels beteiligt waren. Da kommen leicht an die 200 Arbeitsstunden zusammen, die natürlich nicht am Stück geleistet wurden. So ein Instrument braucht ja zwischen einzelnen Arbeitsprozessen immer wieder Ruhephasen, etwa nach dem Saiten-Einbau, oder bei der klanglichen Ausarbeitung. Da wird wiederholt überprüft, nachjustiert und der Klang über Monate entwickelt.

gVe: Wer überprüft die getane Überholung und welche Kriterien gelten dafür?

Hartwig Kalb: Zunächst einmal haben wir hier bei Steinway für jeden Arbeitsbereich eine Qualitätskontrolle durch den verantwortlichen Meister. Beim Erlanger Konzertflügel haben wir zudem auf Reparatur- spezialisierte Fachkräfte und abschließend unseren Cheftechniker zur individuellen klanglichen Ausarbeitung eingesetzt. Die Endabnahme des reparierten Instrumentes überlassen wir dann generell dem Kunden und wenn möglich einem Pianisten. In diesem Fall hat der Hamburger Pianist Sebastian Knauer die Aufgabe übernommen, um aus pianistischer Sicht eine Rückmeldung auf die Qualität der Arbeit zu geben.

Demnächst wird der Flügel mit einer speziellen Spedition von Hamburg nach Erlangen geschickt. Dort sollte er erst einmal Zeit zur Akklimatisierung bekommen, um dann vom lokalen Klavierstimmer eingestimmt zu werden. Nach einer Einspielphase kommt idealerweise noch einmal ein Techniker von unserer Firma, um das Instrument an die Raumakustik vor Ort anzupassen, zu optimieren. Denn natürlich haben wir hier in unserer Fabrik andere Klang- und Raumverhältnisse als in dem Konzertsaal in Erlangen.

gVe: Wie oft kann ein solches Procedere wiederholt werden?

Hartwig Kalb: Die Steinway Bauphilosophie mit dem integralen Flügelgehäuse als Fundament unserer Konstruktion bringt es mit sich, dass eine solche Reparatur mehrere Male durchgeführt werden kann. Unsere Instrumente werden in der Regel über 100 Jahre alt, wenn sie regelmäßig gewartet und gepflegt werden und – wenn nötig – auch sinnvoll in neue Teile investiert wird wie in diesem Fall. Trotzdem wird es so sein, dass nicht jeder Spieler ein altes Instrument mag, selbst wenn es im Bestzustand ist. Manche Pianisten lieben einen alten, „verträumten“ Klang, andere wollen lieber einen „jungen Wilden“.

gVe: Es gibt Pianisten, die bevorzugen andere Fabrikate. Große Pianisten und Pianistinnen wie etwa Andras Schiff oder Angela Hewitt bringen ihren eigenen Flügel, in diesen beiden Fällen, ihren „Fazioli“, mit . Hat Steinway dennoch nach wie das Monopol in den meisten Konzertsälen dieser Welt?

Hartwig Kalb: Es gibt und gab natürlich immer großartige Piano Fabrikate wie Blüthner, Bösendorfer, Bechstein oder – in jüngeren Jahren – Fazioli, alle mit ihrem eigenen Klangcharakter. Diese Instrumente finden sie ebenfalls auf den Bühnen der Welt. Dennoch haben ja immer die Pianisten entschieden, welches Fabrikat sie spielen wollen, und damit welches Instrument angeschafft wird. Wir verschenken unsere Instrumente nicht, der Markt und die Nachfrage bestimmen den Einkauf. Und die erste Wahl der Pianisten und Veranstalter war und ist Steinway.

gVe: Der Pianist Evgeni Koroliov bezeichnete den Steinway-Flügel als „Allzweckwaffe“ auf den Konzertbühnen.

Hartwig Kalb: Ich finde das nicht nachteilig. Steinway ist sich treu geblieben, die Instrumente haben sich im Bau und Klangcharakter kaum verändert. In dieser verlässlichen Größe liegt unsere große Stärke, die eben auch die Pianisten schätzen. Trotzdem gibt es bei Steinway klangliche Unterschiede, sind die Instrumente durch den großen Anteil an Handarbeit sehr individuell. Deshalb sollte ein Steinway auch ausgewählt werden, es ist kein Instrument „von der Stange“, aber in allen Musikstilen einsetzbar! Im Idealfall gibt es in einem Konzertsaal mehrere Flügel zur Auswahl für den Pianisten. In der Elbphilharmonie stehen beispielsweise drei neue Konzertflügel unterschiedlichen Klanges. Da findet jeder Pianist für sein Programm den passenden.

gVe: Wie ist der Werteverlauf eines Steinway-Flügels?

Hartwig Kalb: Der Steinway gilt als der wertstabilste Flügel. Wenn ein Instrument ordentlich gewartet wird, ist das erst mal werterhaltend. Bei großen Investitionen in ein Instrument kann auch eine Wertsteigerung erzielt werden. Letztendlich spielen aber auch Angebot und Nachfrage eine große Rolle und wir freuen uns natürlich, dass der Steinway sehr gut nachgefragt wird.

gVe: Was hätte die Erlanger ein neuer Steinway-Konzertflügel gekostet?

Hartwig Kalb: In etwa 165.000 €.

Die Generalüberholung beträgt – je nach Aufwand – etwa ein Viertel, wenn nicht noch eine Neulackierung notwendig ist.

Verfasserin: Sabine Kreimendahl, 11.10.2018

Die berühmte Pianistin Mitsuko Uchida, die übrigens in der nächsten Konzertsaison 2019/2020 in Erlangen zu erleben ist, schwärmt von Steinway, hat den Cheftechniker der Firma Steinway, Georges Ammann auf ihren Konzertreisen immer begleitend dabei. Ammann hat sich klanglich auch um den gVe-Flügel gekümmert.

So dürfte diese große, auch finanzielle Herausforderung der Generalüberholung des Erlanger Steinway-Flügels noch grandiosere, pianistische Konzerterlebnisse fördern. Das Erlanger Publikum darf gespannt sein: Der generalüberholte Steinway-Flügel wird von Kathia Buniatishvili mit Rachmaninows berühmtem zweiten Klavierkonzert, von Liebhabern nur „Rach II“ genannt, aus der Taufe gehoben.

Oder, wie Mitsuko Uchida sagt:

„Sobald Sie anfangen, auf einem Steinway D zu spielen, spielen Sie anders. Er ist ein anderes Tier. Und ihn zu besitzen, ein Privileg.“