Buchbesprechung gVe

Wenn ich ein Flügel wär´ – Eine musikalische Buchempfehlung zur Weihnachtszeit und nicht nur dafür

Es gibt so viele „kleine“ Bücher: „Der kleine Prinz“, „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“ oder „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Das Autorengespann Joja Wendt und Kester Schlenz hat ein kleines Buch geschrieben mit dem Titel „Der kleine Flügel“. Und der kommt ganz groß raus, ist schon rausgekommen, vor sechs Jahren, 2012, aber das tut bei zeitlos guten Büchern nichts zur Sache, wenn der geneigte Leser, die geneigte Leserin auf der Suche nach einem witzigen und spannenden Buch ist, in welcher die Musik eine Hauptrolle spielt. Worum geht es in dem farblich hübsch aufgemachten Band mit 256 vergnüglich zu lesenden Seiten?

Zunächst gibt es zwei Rahmenhandlungen, die – keine Angst! – einfach zu erfassen sind. Die eine erzählt zauberhaft verwoben mit der Kerngeschichte den Mythos von Orpheus und dessen Lyra, die ja auf jedem Steinway-Flügel als Markenzeichen prangt. Gegenwartsbezogen ist die andere Randerzählung des vierzehnjährigen Mädchens Nelly, die die Musik eigentlich liebt, aber durch die strengen Methoden und Einseitigkeit ihrer humorlosen Klavierlehrerin die Lust am Üben, an der Musik verliert. In ihrer Traurigkeit darüber sucht sie Hilfe bei ihrem Großvater, der ihr mit der Geschichte über den kleinen Flügel eine Antwort gibt.

© rowohlt

Dessen Erzählung spielt in der Welt der Musik, in der die Instrumente darin alle eine Seele, einen Charakter haben. Als Protagonisten erscheinen ein edler Steinway-Flügel, die E-Gitarre Strato, der Bass Fendi, der Synthesizer Moog und die Triangel Tri. Gegenspielerin ist die große Herrscherin Theodora, eine gewaltige Orgel und ihr Instrumentarium, wobei eine Guerneri-Geige, ein Cembalo und eine Celesta wichtige Rollen spielen. Der kleine Flügel und seine Gefährten wollen sich nicht den Regeln und Befehlen der Orgel unterwerfen und erleben in ihrer Rebellion, ihrer Suche nach Freiheit gefährliche, spannende Abenteuer im „tonlosen Tal“, „in der Halle des Bergkönigs“ und an vielen anderen geheimnisvollen Orten. Das ist ein wenig wie in den Harry-Potter-Geschichten. Der Flügel ist dabei der Held der Geschichte. Mehr wird hier von diesem besonderen Zauberroman nicht verraten.

Der Ideengeber dieser phantasievollen Geschichte ist Joja Wendt, bekannt als witziger und geistreicher Unterhaltungspianist, selbst seit frühesten Kindestagen vom Musikvirus infiziert. Wendt und sein Kollege Kester Schlenz, renommierter Journalist und Autor, schreiben dabei so kundig und dennoch unterhaltsam über die Musik, die Instrumente, dass das Lesen mit etwaiger Wissensvermittlung zum Vergnügen wird.

Es gibt sogar ein musikalisches Glossar im Anhang und kleine, hübsche Illustrationen von Oliver Weiss. Jedes Kapitel ist mit einem musikalischen Signum in der Überschrift gekennzeichnet. Da macht das Blättern vor dem Lesen bereits Spaß. Es steckt viel Humor und noch mehr Liebe zur Musik in diesem Buch, das nicht nur für die Acht- bis Vierzehnjährigen eine liebenswerte, spannende Lektüre rund um das unerschöpfliche Thema Musik sein dürfte, sondern auch für alle musikbegeisterten Erwachsenen und Großeltern, die vielleicht sogar noch in einem alten, kunstvoll geschnitzten Lehnstuhl vorlesen …

Bibliographie:

Joja Wendt/Kester Schlenz: Der kleine Flügel – Eine phantastische Geschichte mit Musik. Reinbek bei Hamburg 2012, 256 Seiten.
Das Buch ist als gebundene Ausgabe bei Kindler und als Taschenbuch bei rororo erhältlich.

Verfasserin: Helmine Lyra